Aktuelle Arbeiten
Fragmente von Blau
Fragments of Blue
Why make so much of fragmentary blue
In here and there a bird, or butterfly,
Or flower, or wearing-stone, or open eye,
When heaven presents in sheets the solid hue?
Robert Frost, Fragmentary Blue
Über die innere Entfremdung
Die vergangenen Monate waren für mich aus künstlerischer Sicht nicht einfach, auch wenn ich nicht von wirtschaftlicher Not betroffen bin und mein aus Biografie und Veranlagung entstandener Charakter eher leicht mit den Zumutungen der Pandemie in Einklang zu bringen ist. Mein Verlangen nach sozialer Distanz, das über Jahre als Störung in der Folge eines Traumas angesehen wurde, hat urplötzlich einen völlig neuen Bedeutungszusammenhang bekommen.
Was eine Störung ist, bestimmen die sozialen Verhältnisse.
Die ersten Tage waren geprägt von der tiefen Unzufriedenheit über diese Verhältnisse, die mich schon seit Monaten begleitete. In meiner Gier nach Antworten bewegte ich mich in der nur noch symbolisch vermittelten Realität der weltumspannenden sozialen Räume, in denen der Algorithmus den Skandal bevorzugt und das Medium keine innere Nähe zulässt. Ich sah mich gefangen in der rationalen Reflexion der Situation auf der einen Seite und der Konzentration auf die Reaktion meiner Umwelt auf der anderen Seite. Fakten, Berichte, Diskussionsbeiträge. Ich war auf der Suche nach einer Antwort, die sich aus diesem Spannungsverhältnis begründet, ohne mir bewusst zu werden, dass eine solche Antwort nicht dem subjektiven Kern meines Ausdrucks entspricht.
"Meine Arbeit ist keine Aufforderung, Dich zu positionieren. Sie ist eine Einladung an Dich zu lauschen und beim Betrachten der Bilder den Schwingungen Deiner inneren Resonanz nachzuspüren"
Bernd Donabauer, Fragmente von Blau /01, Rhodos, 2020
Über den Augenblick
Die Luft ist klar, der Himmel leuchtet in tiefem Blau, die Farben strahlen nach den Tagen des schwülen Dunstes, der über die Welt einen sanften Schleier von Grau gelegt hat. Es waren die letzten Stunden jener ungewöhnlichen Reise, die so anders war als die Reisen in den Jahren zuvor. Die Zeit ist geprägt von der Einschränkungen der Möglichkeiten und wir verlieren schnell den Blick für die Einmaligkeit des Augenblicks, der untrennbar verwoben ist mit den sozialen Verhältnissen und von diesen erst ermöglicht wird.
Bis zu jenem Augenblick, als die Sonne hinter dem Taurus-Gebirge versankt und der Windhauch des letzten Lichts des Tages sanft über meine Haut strich. Dieser eine, wunderbare Augenblick voller Licht, Farbe und der sanften Berührung des Windes. Der Augenblick einer sinnlich vermittelten Lebenswelt, in der ich die Fragilität des menschlichen Daseins akzeptieren kann. Der Augenblick ermöglicht es mir, den Widersprüchen einen subjektiven Ausdruck zu verleihen.
Der subjektive Augenblick ist die letzte Bastion des autarken Kerns des Individuums, die Verweigerung des nur noch symbolischen Diskurses ist die letzte Brandmauer gegen die allumfassende Kolonialisierung unserer Lebenswelt.
"Wir verlieren den Blick für die Dualität von Verzweiflung und Hoffnung, Angst und Glück, Einsamkeit und Nähe, zwischen der Farbe und ihrem Komplementär"
Das Gelände der Hotelanlage war mir aus den vergangenen Jahren wohlbekannt, schließlich befand es sich nur eine Stichstraße von meinem zu Hause auf Zeit entfernt. Der Weg am Strand führte mich durch meterhohe Sanddünen. In anderen Zeiten, in denen in der ovalen Bucht die Menschen dicht an dicht auf ihren Strandliegen in der Sonne lagen, diente der Sand, fein säuberlich verteilt, als Teil des Bühnenbildes der Illusion von Natur, die kein Teil einer durchdachten Inszenierung ist, sondern schon immer da war und immer da sein wird.
"Das Paradies war geschlossen, es lag vor mir öde und leer. Alle Versprechen wurden gebrochen"
Nur mühsam widerstand ich der Versuchung des Plakativen der ersten Boten des Verfalls. Grazile Geschöpfe, die sich aus Mauerrissen empor streckten, Farbe, die dekorative von Wänden blättert, Stoff, der gestaltet wurde vom Sand und vom Regen, jener Charme von verlorenen Plätzen und die Symbolik der Verhältnisse im Sommer 2020; zu leicht, zu offensichtlich, zu einfach.
Das All-inclusive-Hotel ist geschlossen, die Veranda verweist. Die Sonnensegel spenden ihren Schatten der Leere. Ich stand unter ihnen allein im Wind.
"Und ich blickte hinauf, sah die Fragmente von Blau und begann meine Bilder des Augenblicks zu spüren"
Über die Abstraktion
Die Abstraktion von Farbe und Form ist für mich eine der Königsdisziplinen der bildenden Künste. Die Meisterschaft darin ist schwer zu erlangen, bedarf intensiver Planung und ständiger Übung. Es genügt eben nicht, in einem mehr oder minder beliebigem Prozess Farbe und Form zusammenzuführen und mit dem Attribut "Abstrakt" zu versehen. Das Gesagte gilt umso mehr, wenn die Methode der Umsetzung auf einer intuitiven Technik beruht, ob nun mittels Farbauftrag in der Malerei oder der Bewegung des Körpers während der Aufnahme in meiner aleatorischen Fotografie →.
Auch das Moment des verfügbaren Lichts ist nicht beliebig. Es bedarf der Fähigkeit sich die möglichen Lichtverhältnisse vorstellen zu können und die Geduld darauf zu warten, bis sich diese Vorstellung in einem bestimmten Augenblick der Realität materialisiert.
Am Anfang steht die Überwindung der eigenen, unbewussten Blindheit und die ersten zaghaften Schritte der Bewusstwerdung des eigenen Unvermögens zu sehen. Es folgt die Erforschung des unentdeckten Landes über viele, unbekannte Pfade und Wege, das Studium von Texten und Bildern, Gedanken, Meditation, bis hin zur Vorstellung über die Gestalt der Entdeckungen. Und schließlich bedarf es der stetigen Übung, bis zu dem Augenblick, in dem der Kopf aufhört zu denken.
Die Idee, der Gegenstand, die Bühne, die Ikonographie von Farbe und Form sind wohl geplant und die Bewegungen des Körpers in Versuch und Irrtum erprobt, bis sie sich als unbewusste Kompetenz im Zugriff des Künstlers befinden. Der Fotografierende muss sein Instrument beherrschen, um sich von der Kamera im Auge befreien zu können!
Es ist diese geplante und geübte Vorgehensweise, die die subjektive Prävisualisierung und intuitive Umsetzung erst ermöglichen. Das Ergebnis ist bestimmt von dem Moment der Aleatorik, einmalig und doch alles andere als zufällig oder gar beliebig.
Bei der Arbeit "Fragmente von Blau" habe ich vor zwei Jahren begonnen mich mit der Inszenierung des Gegenstandes und der Bühne zu beschäftigen. In zahlreichen Szenarien habe ich zunächst die beiden unbestimmten Elemente von "Abdeckung" und "Himmel" in der Bewegung miteinander verbunden, ohne zu wissen, wohin mich dieser Weg führen wird. Unzählige fotografische Skizzen sind auf diesem Weg entstanden, Momente des lustvollen Scheiterns.
Kurzvita
„Alles ist Licht, alles ist Farbe, alles ist Bewegung“
Bernd Donabauer, /bd/, geboren 1965, ist ein Vertreter der subjektiven Fotografie aus Deutschland. Er lebt und arbeitet in der Rhein-Main-Region und auf Rhodos. Realschule, Abitur, duale Ausbildung, Studium, Projektleiter und Seniorberater. Seit 2009 ist er Künstler, Fotograf und Mentor.
Er hat seinen künstlerischen Weg durch intensive Studien der klassischen Moderne und in der kreativen Auseinandersetzung mit den Künstlern der internationalen Gruppe "The Good Eye Art Group" gefunden, der er von 2009 bis 2013 angehört hat.
Der konsequent subjektive Ausdruck in seinem Werk zeichnet sich durch eine wunderbare Intensität und Farbigkeit aus, die dazu dient, das eigentliche Wesen des Menschen und der Welt, die ihn umgibt, zu zeigen: Wellen, Partikel, Reflexionen, die grundsätzliche Unschärfe von Raum und Zeit, das Entstehen der menschlichen Identität von Augenblick zu Augenblick.
Durch seine aleatorische Methode hat er die Fotografie mit ihren Ursprüngen in der Malerei versöhnt. Mit den Bewegungen seines Körpers „spielt“ er dabei auf der Kamera, wie ein Musiker auf seinem Instrument. In seinem Werk vereint er so die subjektive Impression des Augenblicks mit der Rationalität des Konzepts.
Seine Arbeitsweise wird bestimmt durch die intensive Planung seiner Projekte, die Visualisierung seiner Motive in zahlreichen fotografischen Vorskizzen, der subjektiven Wahrnehmung während der Aufnahme, die Ausarbeitung in der Dunkelkammer und die Verwendung hochwertiger Materialien bei der aufwändigen Umsetzung zum Bild.
Seine Arbeiten wurden unter anderem von Frank Deubel (Fototage, Wiesbaden), Damon Papakiriakou (Gallery Art Park, Rhodos) und Andreas Kerstan (ArtExpo, New York) kuratiert.