Solitäre
Die Ermordung des Jean Paul Marat
In der Tat – Licht auf Leinwand. Eine weiße Decke und ein Buntglasfenster, Strukturen und Farben, das ahnende Erfassen von Haut, Fleisch, Muskeln. Die Inspiration, die sich anschließende Recherche und die Ausarbeitung der Interpretation.
Der Tod des Marat – das Bild von David. Die Verklärung zum Märtyrer, zum gekreuzigten Leib der Revolution. Überhaupt, diese Revolution der Jakobiner: Der mit neuen religiösen Symbolen zelebrierte Mord findet in dem Bild von David ihren Heiligen. Für sich gesehen ein wunderbares Bild und dennoch, Herrschaftsmalerei, ein Teil der Revolutionspropaganda.
Ein Detail: Marat liegt in der Badewanne, weil er von einer quälenden, chronischen Hautkrankheit befallen war und ein Bad im Linderung verschaffte. Nichts davon zu sehen bei David auf der makellos erblassten Haut des toten Heiligen in seiner Grablegung. Der Wunde entströmt kaum ein Tropfen Blut. Im Gesicht das sanfte Lächeln der Gewissheit der Wiedergeburt der Revolution.
David – ja, ja, Klassizismus, schon klar. Aber die Biografie! Drei Regime und zwei Zeitenwenden. Dabei immer der Hofmaler der Herrschenden. Trunken von der eigenen Gewissheit niemals “nur” ein Künstler, selbst Täter mit reichlich Blut an den Händen. Tatsächlich ein Revolutionär oder doch ein gnadenloser Opportunist? Marat – was für ein Leben. Europäer, Gelehrter, Revolutionär, Radikaler, Schlächter. Schlächter? Ja, kaum ein Zweifel, auch das.
Andere Bilder – Munch → und seine expressive Sicht der Sprachlosigkeit in einer Beziehung zwischen zwei Menschen. Hrdlicka → und sein orgiastischer Todesakt.
Was ist passiert an jenem Nachmittag in Paris? Was ist passiert, befreit betrachtet von der schwülen Lust an der Verklärung?
“Im Badezimmer stach sie ihm nach einem kurzen Gespräch heftig in Hals und Brust (in der Nähe des Schlüsselbeins), wobei sie so stark zustieß, dass die Aorta ebenfalls zerrissen wurde und Marat sogleich tot war.”
(wikipedia)
Marat liegt in der Badewanne. Das warme Wasser verschafft im Linderung. Die fremde Frau hat sich als Charlotte Corday vorgestellt. Das Gespräch dreht sich um Eröffnungsfloskeln. Marat hört eher zu, als dass er selbst spricht. Er ist entspannt, leicht schläfrig. Unvermittelt hat Charlotte das Messer in der Hand. Ein Schritt, die Bewegung des Oberkörpers erreicht ihre Schulter und fließt in ihren Arm, die Hand, das Messer. Nur ein Moment, sie sticht zu. Blut vermischt sich mit Wasser. Marats Körper reagiert noch bevor das Unbegreifliche seinen Verstand erreicht, bäumt sich auf, will ausweichen und abwehren, ist sich der Verletzung noch gar nicht bewusst. In diesem Moment erfolgt der zweite Stich und zerreißt die Aorta.
Gewalt, Bewegung, Anspannung, Abwehr, Körperlichkeit, Blut – der Moment zwischen Leben und unausweichlichem Tod. Mal ganz ehrlich, dass muss eine unglaubliche Sauerei gewesen sein. Nichts von wegen “heiliger Entrückung” mein lieber Herr David. Keine Rechtfertigung durch Lust und Gier Herr Hrdlicka.
Das ist passiert, unabhängig von menschlichen Verwirrungen und Fragen der Schuld:
Hier ist ein Mensch geschlachtet worden!
Die Ermordung des Jean Paul Marat
Bild
Die Ermordung des Jean Paul Marat
Credits
Kennung
Die Ermordung des Jean Paul Marat, Pfungstadt 2009, Ref. # BD-P-01-2009